- März 21, 2025
- Posted by: Evangelos Hatgiconstantis
- Category: Finanzen EU

Ein steuerlich motivierter Wegzug von Deutschland nach Andorra kann erhebliche Vorteile mit sich bringen, aber auch steuerliche Konsequenzen in Deutschland nach sich ziehen. Andorra bietet im Vergleich zu Deutschland niedrigere Einkommensteuersätze, keine Vermögenssteuer sowie eine attraktive Unternehmensbesteuerung. Dennoch unterliegt der Wegzug insbesondere für Anteilsinhaber von Kapitalgesellschaften der deutschen Wegzugbesteuerung, die gemäß § 6 AStG (Außensteuergesetz) eine latente Steuerpflicht aufgedeckter stiller Reserven auslöst.
Regelungsbereich der Wegzugbesteuerung
Die Wegzugbesteuerung erfasst ausschließlich Anteile an Kapitalgesellschaften (z. B. GmbH, AG) im In- und Ausland. Sie findet keine Anwendung auf Beteiligungen an Personengesellschaften (z. B. KG, GbR, Co. KG) oder auf unmittelbar gehaltene Immobilienvermögen.
Betroffene Personen müssen folgende Kriterien erfüllen:
- Sie halten eine Beteiligung von mindestens 1 % an einer Kapitalgesellschaft innerhalb der letzten fünf Jahre.
- Sie waren in den letzten zwölf Jahren mindestens sieben Jahre in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig. Es muss sich nicht um einen fortlaufenden Zeitraum von 7 Jahren handeln.
- Sie verlegen ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in einen ausländischen Staat wie Andorra und damit Ihre unbeschränkte Steuerpflicht infolge der Aufgabe des Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthalts beendet wird.
Bemessungsgrundlage und Steuerhöhe
Die Besteuerung erfolgt auf Basis der stillen Reserven in den betroffenen Kapitalgesellschaftsanteilen. Maßgeblich ist die Differenz zwischen dem Marktwert der Beteiligung zum Zeitpunkt des Wegzugs und den ursprünglichen Anschaffungskosten. Daraus ergibt sich der fiktive Veräußerungsgewinn.
Besteuerung nach § 17 EStG: Anwendung des persönlichen Einkommensteuersatzes (bis zu 45 % + Soli + ggf. Kirchensteuer).
Teileinkünfteverfahren: 60 % des Gewinns sind steuerpflichtig (bei Beteiligung im Privatvermögen).
Daraus ergibt sich ein effektiver Steuersatz von ca. 27–30 % (je nach Progression) auf den Gesamtgewinn.
Stundung der Steuerlast
Seit der Reform im Jahr 2022 gelten verschärfte Regelungen für die Stundung der Wegzugsteuer:
- Bisher (vor 2022):
Bei Wegzug in ein EU-/EWR-Land konnte die Steuer auf Antrag unbegrenzt und zinslos gestundet werden (§ 6 Abs. 5 AStG a.F.), sofern bestimmte Voraussetzungen erfüllt waren (z. B. Wegzugsanzeige, Nachversteuerung bei tatsächlicher Veräußerung). - Seit 2022:
Die Stundung ist nicht mehr unbefristet, sondern auf 7 Jahre begrenzt, auch in EU-/EWR-Fällen.
Die Steuer ist in jährlichen Raten zu je 1/7 zu entrichten (§ 6 Abs. 4 AStG n.F.).
Zusätzlich kann der Fiskus nun Sicherheiten verlangen, was zuvor bei EU-/EWR-Wegzug nicht vorgesehen war.
Steuerliche Optimierungsstrategien
Zur Reduzierung oder Vermeidung der Wegzugbesteuerung können folgende Strategien in Betracht gezogen werden:
- Unternehmensstruktur anpassen
- Teilweiser oder vollständiger Anteilsverkauf
- Bewertungsoptimierung
Auswirkungen eines Doppelbesteuerungsabkommens (DBA)
Deutschland und Andorra befinden sich in Verhandlungen über den Abschluss eines Doppelbesteuerungsabkommens (DBA), das in naher Zukunft in Kraft treten könnte.
Dies könnte Auswirkungen auf die steuerliche Behandlung von Einkünften und Kapitalvermögen aus Deutschland nach Umzug ins Ausland haben, allerdings wohl kaum auf die fiktive Veräusserung zum Zeitpunkt der Beendigung der unbeschränkten Steuerpflicht (noch ansässig in Deutschland) und damit die Wegzugsbesteuerung.
Bei einem Wegzug in ein Land ohne Doppelbesteuerungsabkommen – wie etwa Andorra – kann die Wegzugsbesteuerung unter Umständen vermieden werden, wenn in Deutschland weiterhin ein Wohnsitz beibehalten wird. Allerdings kann dies zu einer fortbestehenden unbeschränkten Steuerpflicht in Deutschland führen, was wiederum zu einer potenziellen Doppelbesteuerung des Welteinkommens in beiden Staaten führen kann. Hier gilt es die aktuelle Vermögensstruktur und fortlaufende Einkünfte mit deren steuerlichen Konsequenzen zu analysieren. (Passive Residenten mögen diese Option in Erwähnung ziehen).
Fazit
Die Wegzugsbesteuerung gemäß § 6 AStG kann für Gesellschafter mit wesentlichen Beteiligungen an Kapitalgesellschaften beim Wegzug aus Deutschland – etwa nach Andorra – zu einer spürbaren steuerlichen Belastung führen. Seit der Reform im Jahr 2022 gelten die verschärften Regelungen unabhängig vom Zielland, sodass auch innerhalb der EU/EWR keine Privilegierung mehr besteht.
Ein künftig mögliches Doppelbesteuerungsabkommen zwischen Deutschland und Andorra könnte zwar gewisse steuerliche Unsicherheiten bei der laufenden Besteuerung nach dem Wegzug entschärfen – für die Wegzugsbesteuerung selbst bietet ein solches Abkommen jedoch keinen unmittelbaren Schutz.
Daher ist eine frühzeitige, individuelle und strategisch durchdachte steuerliche Planung unerlässlich, um mögliche Liquiditätsengpässe, steuerliche Doppelbelastungen und Gestaltungsfallen rechtzeitig zu erkennen und gezielt zu vermeiden.